„G’stungane Oa“ in den Taschen der Zöllner

Nicht wenige Burghauser haben österreichische Wurzeln. Zu ihren gehört auch 3. Bürgermeister Norbert Stranzinger. Sein Urgroßvater und Großvater väterlicherseits waren in Duttendorf zu Hause. Die Verbindung nach Burghausen entstand durch Stranzingers Großmutter Anna geb. Wimmer, die spätere „Niederbuchner Nanni“. „Ich fühle mich den österreichischen Vereinen sehr verbunden und habe viele österreichische Freunde“, sagt Stranzinger. In guter Erinnerung behält er die Unterstützung aus Österreich beim Landesturnfest in Burghausen und verbindende Momente wie die Übergabe des Friedenslichts.

Aus dem Burghauser Anzeiger vom 16. März 2017

Wie sich die Niederbuchner Nanni in einer verzwickten Lage zu helfen wusste – Enkel Norbert Stranzinger erinnert sich

Burghausen. Die Salzachstadt mit ihrer Industrie war schon immer Magnet auch für Menschen jenseits der Grenze. Nicht wenige Burghauser haben österreichische Wurzeln. Zu ihren gehört auch 3. Bürgermeister Norbert Stranzinger. Sein Urgroßvater und Großvater väterlicherseits waren in Duttendorf zu Hause. Die Verbindung nach Burghausen entstand durch Stranzingers Großmutter Anna geb. Wimmer, die spätere „Niederbuchner Nanni“. Die Wimmers waren Karrer, das heißt, sie holten auf den Bauernhöfen um Hochburg die Eier ab und verkauften sie. Eine eigene Kramerei betrieb die Familie am Rand von Duttendorf. Nachts und in den frühen Morgenstunden war Anna Wimmer mit dem Fuhrwerk oft allein auf weiter Flur, hatte Angst und zur Abschreckung eine verrostete und defekte Pistole dabei, die ihr im Ernstfall wenig genutzt hätte.

Als ihr Mann Maximilian Stranzinger 1932 mit nur 49 Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben kam – die Fehlzündung einer Kanone bei einer Hochzeitsfeier tötete ihn – suchte die „Nanni“ Arbeit und fand bei Wacker eine Beschäftigung als Reinigungskraft. Weil der Lohn nicht üppig war und sie auf dem Weg zur Arbeit ohnehin über die Grenze musste, nutzte sie das für kleine Nebengeschäfte– sprich Schmuggel. Immer wieder nahm sie Eier mit und verkaufte sie in Burghausen. Die meisten Grenzer wussten das wohl und ließen sie passieren. Doch einmal wollte einer von ihnen diesen kleinen Grenzhandel offensichtlich unterbinden. Nanni Stranzinger wurde ins Zollhäuschen auf der österreichischen Seite gebeten. Der Zöllner stand nun vor dem Problem, eine Leibesvisitation vornehmen zu müssen. Das ging an einer Frau natürlich nicht und die Anna Stranzinger beschied ihn auch deutlich: „Du langst mich nicht an.“

Der Zöllner wusste sich aber zu helfen. Er schloss Anna Stranzinger ein und holte beim Pachler oberhalb eine Frau, die in solchen Fällen öfter schon dem Zoll Dienste geleistet hatte. Was tun? Anna Stranzinger wusste Rat. Im Zollhäuschen hingen vom Winter her noch schwere Jacken und Mäntel der Zöllner, die in der warmen Jahreszeit niemand nutzte. In den Taschen dieser Mäntel ließ sie die Eier verschwinden. Als dann die Leibesvisitation erfolgte, war sie frei von jeder Schuld, der Zöllner machte ein betretenes Gesicht.

Missmutig schauten allerdings einige Wochen später so nach und nach alle Zöllner drein. Denn im Zollhäuschen wuchs sich ein zunächst unangenehmer Geruch zu einem richtig unappetitlichen Gestank aus. Die penetrante Geruchsspur führte die Zöllner dann auch an die Ursache der olfaktorischen Katastrophe – die inzwischen vergammelten Eier in den Taschen der Winterjacken. Wer ihnen das eingebrockt hatte, darüber gab es Spekulationen – aber nachweisen konnte man der „Nanni“ das natürlich nicht.

Ein anderes Mal musste sie allerdings Lehrgeld zahlen, erinnert sich Norbert Stranzinger. Die Oma hatte im alten Ployer-Geschäft gleich oberhalb dem Zollhäuschen eingekauft. Norbert Stranzinger sagt dazu heute: „Es war schon seltsam. Die Leute kauften dort in Sichtweite der Grenzer ein und schmuggelten dann.“ Ein wenig mag da vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, im sportlichen Wettstreit die Zöllner übertölpeln zu können. Norbert Stranzinger, damals gerade fünf Jahre alt, trug einen roten Kindermantel. Unter diesem hatte ihm die Oma einen Wurstkranz umgehängt und dem Enkel aufgetragen, allein voraus über die Grenze zu gehen. Das war allerdings keine so gute Idee. Denn die Grenzer fragten den kleinen Norbert aus, und als der in die Mangel geriet, verplapperte er sich und erzählte, dass er von den Würsten ja nichts sagen dürfe. Die Oma musste diesmal Zoll zahlen und zog daraus die Lehre, dass ihr Enkel fürs Schmuggeln nicht geeignet sei. Von weiteren Grenzgeschäften dieser Art blieb Norbert Stranzinger fortan verschont.

Die Oma war äußerst geschäftstüchtig, wenngleich es immer um kleine Summen ging. Als sie zum zweiten Mal heiratete, hieß sie fortan Niederbuchner und war in ganz Burghausen bekannt. Auch deshalb, weil sie es zur Weltmeisterin im Dauerrauchen brachte – und das als Nichtraucherin. Das war 1954 beim Burghauser Rauchclub der Gemütlichen. Nie zuvor und niemals danach hat die überzeugte Nichtraucherin zum Glimmstängel gegriffen. Aber bei der Kunst, eine Zigarre nicht ausgehen und möglichst lange brennen zu lassen, schlug sie mit zwei Stunden und 28 Minuten die geballte männliche Raucher-Profikonkurrenz. Die Zigarren waren genormt: 11,5 Zentimeter lang und 16 Millimeter dick.

Was die Grenze betrifft, so freut sich heute Norbert Stranzinger über die gute Zusammenarbeit über die Salzach hinweg. „Ich fühle mich den österreichischen Vereinen sehr verbunden und habe viele österreichische Freunde“, sagt er. In guter Erinnerung behält er die Unterstützung aus Österreich beim Landesturnfest in Burghausen und verbindende Momente wie die Übergabe des Friedenslichts.rw

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