Herzensfrage statt B-Frage
Wie der Burghauser Anzeiger in seiner gestrigen Ausgabe berichtet, scheidet Gertraud Ertl im Laufe des Jahres aus dem Stadtrat aus und übernimmt den elterlichen Hof. „Es war sicher nicht einfach für mich, aber ich musste eine Entscheidung treffen. Mein Vater wird im Februar 73 Jahre und macht mit meiner Mutter (67) am Hof allein die Arbeit,“ erklärt Gerti den Kontext, in dem ihre Entscheidung gefallen ist.
Es ist außerdem keine Entscheidung gegen die CSU Burghausen sondern, für den elterlichen Hof, der erhalten werden soll. Die von der Zeitung kolportierte B-Frage gab es nicht. „Die CSU-Burghausen hat weder intern noch extern einen Bürgermeisterkandidaten gekürt. Gerti war eine von mehreren Kandidaten“, erklärt Ortsvorsitzender Bernhard Harrer.
„Die Wahl 2020 muss außerdem noch gewonnen werden“, stört sich der stellv. Ortsvorsitzende Christian Konnerth an der plakativen Überschrift des Artikels. „Es liegt viel Arbeit vor uns, aber wir haben ein hoch motiviertes Team zusammengestellt, das die Wahl 2020 fest im Blick hat.“
Gerti Ertl – Meine Beweggründe:
Seit Kindesbeinen an half ich bei der täglichen Arbeit am Hof und im Stall mit. Ich habe es immer mit Freude getan und mein Herz schlägt schon lange für die Landwirtschaft. Die Verbraucher wollen mit gutem Gewissen Lebensmittel genießen von Tieren die aus der Umgebung stammen. Das ist auch mir wichtig und das werde ich weiterhin unterstützen. Landwirtschaft bedeutet auch und vor allem ein Leben mit der Natur, dem Tier und dem Mensch. Wirtschaftliches denken und handeln ist unerlässlich und mit den vorhandenen Strukturen in Einklang zu bringen. Hier helfen mir auch meine beruflichen Erfahrungen.
Aber das wichtigste: „d‘ Hoamat deaf ma net hint’lassn!“ und unsere Eltern haben uns sehr viel für unser Leben mitgegeben, da ist es mehr als fair Ihnen etwas zurück zu geben.
Aus dem Burghauser Anzeiger vom 14. Januar 2016
Gertraud Ertl scheidet aus dem Burghauser Stadtrat aus und übernimmt den elterlichen Hof in Mehring
Burghausen. „Es hat sich die B-Frage gestellt – Bäuerin oder Bürgermeisterin“, sagt Gertraud Ertl. Die 36-Jährige gehört seit sechs Jahren dem Burghauser Stadtrat an und galt in ihrer Partei, der CSU, als Favoritin für die die Kandidatur um den Posten des Stadtoberhaupts bei den Kommunalwahlen 2020.
Seit Dienstag dieser Woche ist die B-Frage beantwortet: Gertraud Ertl wird Bäuerin, übernimmt den elterlichen Hof im Gumpersberg in der Gemeinde Mehring. Im Laufe des Frühjahrs wird sie Antrag auf Entbindung von ihrem Stadtratsmandat stellen. Mitglied des Kreistags wird sie aber bleiben. Am Dienstagabend hat sie diese Entscheidung den Mitgliedern der CSU-Stadtratsfraktion sowie Ortsvorsitzendem Bernhard Harrer mitgeteilt; er ist Nachrücker.
„Bäuerin ist meine Leidenschaft“, sagt die Betriebswirtin im Gespräch mit der Heimatzeitung, die beruflich unter anderem nach Jahren in der staatlichen Finanzverwaltung in den Kämmereien der Gemeinden Marktl und Tüßling tätig war und seit 2012 bei der Firma Komuna in Altdorf bei Landshut beschäftigt ist, die Finanz-Software für öffentliche Verwaltungen spezialisiert ist.
Seit 2002 ist Gertraud Ertl auch politisch engagiert, damals wird sie als 23-Jährige in den Mehringer Gemeinderat gewählt. 2006 zieht sie nach Burghausen um, scheidet aus dem Rat ihrer Herkunftsgemeinde aus, bringt sich aber gleich in der Burghauser CSU ein, unter anderem als Ortsvorsitzende. Bei den Stadtratswahlen 2008 kann sie noch nicht entscheidend punkten, rückt aber 2010 für Ursel Piffer, die das Gremium verlässt, nach. Bei den Wahlen 2014 schafft sie den Wiedereinzug. Eigentlich wäre sie als Bürgermeisterkandidatin gesetzt gewesen, aus beruflichen Gründen schlägt sie wegen ihres Wechsels nach Landshut 2014 aber aus. Doch für 2020 galt sie als Kandidatin schon so gut wie fix.
Jetzt ist alles anders. „Nach einem mehrere Jahre dauernden Entscheidungsprozess soll nun zur Jahresmitte die Hofnachfolge einvernehmlich mit den Brüdern und Eltern geregelt werden“, sagt Ertl. Sie wird zusammen mit ihrem Mann Peter den Aufzuchtbetrieb für Kälber und Fresser mit einem Bereich für Ackerbau und Grünlandwirtschaft übernehmen. Auch der Umzug von Burghausen nach Gumpersberg wird schon geplant. Beruflich allerdings soll erstmal alles beim Alten bleiben. Ob sie sich kommunalpolitisch wieder im Mehringer Gemeinderat einbringen will, könne sie heute noch nicht sagen, so Ertl.
„Schnell und unerwartet“ sei die Nachricht gekommen, sagt CSU-Vorsitzender Bernhard Harrer, der Gertraud Ertl eine „profilierte Kommunalpolitikerin“ nennt. Dass sie bei den Wahlen 2020 nicht mehr zur Verfügung steht, müsse man erst „verdauen“. Allerdings werde seine Partei daran arbeiten, eine schlagkräftige Mannschaft mit eigenem Kandidaten für den Bürgermeisterposten zu stellen. Namen zu nennen sei noch zu früh.
Auch stv. CSU-Kreisvorsitzende Gerlinde Putz zeigte sich gestern gegenüber dem Anzeiger „total überrascht“. Sie bedauere Ertls Rückzug aus der Burghauser Stadtpolitik auch als Kreisvorsitzende der Frauen-Union, für die sie Impulsgeberin gewesen sei. Dass die scheidende Stadträtin im Kreistag bleibt, sieht Putz als Gewinn an.ecs